Wissenswertes zum Thema Pferdezucht und -Haltung
Tipps zur Geburtsüberwachung
Hier ein paar Erfahrungen für alle Interessierten, wie die Geburtsüberwachung bei unseren Stuten auf der Lohrberg Ranch abläuft:
Die hochtragende Stute zieht mindestens 2 Wochen vor der Geburt in die große Abfohlbox ein, die mit ihren 4x5 Metern viel Platz und Ruhe für die bevorstehende Geburt bietet. Dabei lasse ich immer die ruhigste "Freundin" aus ihrer Herde in der Box daneben, damit auch während der Geburt kein Stress entsteht.
Mit pH-Teststreifen messe ich in regelmäßigen Abständen den Wert des Präkolostrums. Wann genau ich damit anfange, hängt von der Anbildung des Euters ab. Für die Messung "melke" ich 1-2 Tropfen Präkolostrum vom Stuteneuter ab und nutze dafür immer die gleiche Zitze. Es reicht völlig aus, wenn ein einziger Tropfen den Teststreifen berührt und einfärbt. Der Vorgang hat also nichts mit wirklichem Melken zu tun. Nach meiner Erfahrung eignen sich für die Messung am Besten die pH-Teststreifen von "Indicator Paper Uralyt-U", die für knapp 4 € in jeder Apotheke zu bekommen sind.
Der Wert ist Wochen vor der Geburt noch sehr hoch, meist bei 8,0. Unsere Stuten sind es alle gewöhnt, sich problemlos an das Euter fassen zu lassen. Dies ist bei einer möglichen Entzündung oder einem Euterödem für die nötige Behandlung meiner Meinung nach auch sehr wichtig! Sobald der pH-Wert unter 7,0 sinkt, messe ich 2-3 mal täglich. Unsere Stuten haben bisher alle bei einem Wert von unter 6,0 gefohlt. Dieser Wert kann sich innerhalb von 6 Std aber rapide ändern. Daher ist es nötig, immer gut das Anwachsen des Euters im Auge zu behalten.
Nach einer Untersuchung von Karbaum aus dem Jahr 2000 wurde diese Vorhersage herausgegeben:
pH Wert
>8 fohlt nicht in den nächsten 24 Std
<7,5 maximale Zeit bis zum Abfohlen 10 Tage
<7 maximale Zeit bis zum Abfohlen 7 Tage
<6,5 maximale Zeit bis zum Abfohlen 4 Tage (75% innerhalb 24 Std, 94% innerhalb 28 Std)
Zur besseren Übersicht habe ich das 2017 einmal genauer festgehalten (siehe Foto). Auf meinem Geburtsüberwachungszettel kann man den sich verändernden pH-Wert an den verschiedenen Trächtigkeitstagen und auch der Uhrzeit der Messung am gleichen Tag deutlich erkennen. Die Trächtigkeit einer Stute dauert in der Regel +-335 Tage. 10-14 Tage früher oder später muss dabei nichts Ungewöhnliches sein. Über eine (kostenlose) Geburtsüberwachungs-App auf dem Handy kann man die Trächtigkeitsphase zudem auch gut kontrollieren.
Ein weiterer Indikator für eine bevorstehende Geburt ist das inzwischen gut angebildete Euter und die kommenden Harztropfen. Daher rate ich, das Euter mehrmals täglich zu kontrollieren. Unsere Stuten hatten bisher nie länger als 48 Std lang vor der Geburt Harztropfen. Manchmal verpasst man diese aber auch, weil sie erst kurz vor der Geburt entstehen. Daher sollte man sich nicht nur auf dieses Merkmal verlassen.
Unsere Abfohlbox ist zudem mit einer Überwachungskamera ausgestattet. Diese funktioniert über Wlan, sodass ich von zu Hause aus die Stute ständig kontrollieren kann. Sobald Harztropfen zu sehen sind, oder der pH-Wert der Milch auf einem passend niedrigen Stand ist, kontrolliere ich die Stuten ab 21 Uhr alle 40 Minuten über die Kamera. Schon Wochen vorher installiere ich ein schwaches Notlicht in der Nähe der Box, so kann ich auch in der Dunkelheit gut erkennen, was in der Abfohlbox passiert und die Stute wird nicht gestört. Hochtragende Stuten liegen häufig auch mal platt auf der Seite und lassen einen in der Nacht ständig gespannt auf die Kamera schauen. Tatsächlich sieht man die bevorstehende Geburt aber meist an Unruhe, häufigem Hinlegen/Aufstehen und hochgetragenem Schweif. In den letzten Minuten vor der Geburt schwitzen die meisten Stuten dann auch stark.
Zudem haben wir für diese 1-3 spannenden Tage im Jahr Öffnungszeiten in unserem Pensionsstall eingeführt, damit abends relativ früh (ab spätestens 21 Uhr) Ruhe im Stall einkehrt.
Sollte ich doch zur Kontrolle nachts in den Stall fahren, äppele ich die Box jedes Mal ab, damit die Box während des Geburtsvorgangs relativ sauber ist. Meist habe ich ein paar Tage vorher sogar die Wände abgewaschen, alles desinfiziert und neu gestrichen. Mehr Tipps zur tatsächlichen Geburt und was genau zu beachten ist, erkläre ich bald in einem weiteren Artikel.
Es kann eine schlaf- und nervenraubende Zeit für den Geburtsüberwacher sein, aber dafür erlebt man ein immer wieder spannendes und faszinierendes Wunder der Natur, kann im Notfall eingreifen und helfen und wird am Ende hoffentlich mit einem gesunden Fohlen belohnt.
Es ist so spannend, welche Wunder sich die Natur einfallen lässt um sich zu schützen. Hier seht ihr einen Fohlen Huf ca eine Stunde nach der Geburt. Um die Gebärmutter und den Geburtskanal nicht zu verletzen befinden sich im Fohlen Huf kleine gummiartige, weiche "Tentakeln" die nach ein paar Stunden vom Fohlen von alleine abgelaufen werden. Hat sich die Natur da nicht etwas grandios sinnvolles und wunderbares überlegt? Für mich ist es jedesmal ein Wunder dies beobachten zu dürfen.
Ich freue mich über euer Interesse und hoffe, dass ich euch mit meiner Erfahrung ein wenig weiterhelfen konnte. In Zukunft kommen noch viele weitere Artikel über die Bedeckung, die Geburt und die Aufzucht dazu.
Eure Bianca